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Bildung – eine Dienstleistung mit guten Exportchancen
Dr. Antonella
Mei-Pochtler
Interview mit Dr. Antonella Mei-Pochtler
28.04.2006


Warum halten Sie es für wichtig, verstärkt ausländische Studierende nach Deutschland zu holen?

Mei-Pochtler: Es ist für jedes Land wichtig, seine Attraktivität auf ausländischen Märkten zu ermitteln. Die Anzahl der Auslandsstudenten ist ein Indikator für die Qualität der Hochschulbildung. In einigen Disziplinen, speziell technischen, benötigt Deutschland ausländische Hochschulabsolventen, um den Bedarf an Arbeitskräften zu decken. Von wachsender Bedeutung ist es aber, junge Menschen auszubilden, die nach dem Studium in ihre Heimat zurückgehen und dort zu wichtigen Stützen der Export- und Globalisierungsmaschine Deutschland werden. Eine so exportorientierte Wirtschaft wie die deutsche lässt sich langfristig nur pflegen, wenn im Ausland bekannt ist, wie in Deutschland gearbeitet wird. Wer hier studiert hat, entwickelt auch großes Verständnis für die deutschen Wertvorstellungen und eine größere Affinität zu deutschen Dienstleistungen und Produkten. Der „German Way“ ist ein genauso wertvolles Exportgut wie das „Made in Germany“.

Haben unsere Hochschulen nur in den Ingenieurs- und Naturwissenschaften eine Chance, die junge ausländische Elite zu gewinnen, oder könnte der Funke auch auf andere Fächer überspringen?

Mei-Pochtler:
Das hängt davon ab, ob es in der jeweiligen Disziplin eine Exzellenzanmutung gibt, die im Ausland wahrgenommen wird. Nehmen wir die Wirtschaftswissenschaften: Da ist Deutschland solide, aber nicht das Mekka, zu dem die Eliten pilgern. In der Medizin gibt es einzelne Fachrichtungen, die gemessen am internationalen Standard bereits sehr gut sind. Ein wichtiger Schritt war die Umstellung der Hochschulabschlüsse auf Bachelor und Master, weil dadurch die internationale Vergleichbarkeit gegeben ist und es den Studierenden erleichtert wird, Auslandssemester zu realisieren.

Woran liegt es, dass Deutschland als Bildungsstandort derzeit vor allem für Studierende aus Schwellenländern bzw. Ländern der Dritten Welt interessant ist?

Mei-Pochtler: Niedrige Studiengebühren sind sicherlich ein Grund dafür. Studenten aus entwickelteren Ländern oder aus dem angelsächsischen Raum orientieren sich seltener nach Deutschland – auch aufgrund der Sprachbarriere. Weil es für den Export gut wäre, auch sie zu gewinnen, sollten deutsche Hochschulen mehr englischsprachige Studiengänge und Lehrveranstaltungen anbieten. Derzeit kommt ein großer Teil unserer ausländischen Studenten aus osteuropäischen Staaten und aus China, was durchaus zu begrüßen ist. Viele von ihnen stammen zwar aus Schwellenländern, gerade diese Länder haben aber ein hohes Potenzial. Osteuropäer und Chinesen müssen ohnehin eine international anschlussfähige Sprache lernen und entscheiden sich dann eben für Deutsch.

Angelsächsische Universitäten werden längst als Wirtschaftsunternehmen betrieben. Wie können sich deutsche Hochschulen in diese Richtung entwickeln?

Es ist für jedes Land
wichtig, seine
Attraktivität auf
ausländischen Märkten zu
ermitteln.
Mei-Pochtler: Zunächst bedarf es auf breiter Front einer Wahrnehmungsveränderung: Bildung muss als wichtiger Dienstleistungssektor mit Exportchancen wahrgenommen werden und nicht mehr als lokale Infrastruktur. Eine lokale Infrastruktur wird niemals Weltgeltung erreichen können. In einem zweiten Schritt muss differenziert werden. Das bedeutet, dass diejenigen Institute herausgefiltert werden, die auf Weltniveau mitspielen können. Damit meine ich nicht, was derzeit unter dem Stichwort Elite-Unis diskutiert wird. Es ist zwar möglich, zentralplanerisch zu differenzieren, aber ich halte es für besser, wenn sich Elite-Universitäten von selbst im Wettbewerb heraus kristallisieren. Die Professoren ziehen andere Hochqualifizierte an.

Es gilt sicherzustellen, dass jede Uni den eigenen Platz entdeckt, und zu akzeptieren, dass bestimmte Unis im internationalen Vergleich überhaupt nicht bestehen und allerhöchstens lokale Versorgungsfunktionen übernehmen können. Daraus werden Universitätsverbünde resultieren, in denen sich einzelne, sehr spezialisierte Universitäten zusammenfinden. Diese Verbünde stehen sehr wenigen – ich denke dabei höchstens an ein halbes Dutzend – Volluniversitäten gegenüber. Schließlich müssen staatliche Hochschulen – und das wird sehr schwierig – ihre Scheu gegenüber privaten Sponsoren überwinden. Es wird nicht möglich sein, ohne private Gelder ein funktionierendes Bildungssystem zu etablieren. Geisteswissenschaften werden sicher auch in Zukunft stark von öffentlichen Geldern abhängig bleiben – und sollten gefördert werden – aber bei wirtschaftsnahen Studiengängen wird es andere Lösungen geben müssen.

Die Erfahrungen privater Hochschulen zeigen aber derzeit, dass die deutsche Wirtschaft gar nicht so interessiert ist, in Hochschulen zu investieren...

Mei-Pochtler: Weil die Einflussmöglichkeiten zu gering sind und niemand investiert, ohne sicherzustellen, dass sein Geld effizient verwaltet wird. Derzeit wird jede Form der Mitsprache negativ gesehen. Dabei gäbe es positive Möglichkeiten: Unternehmen haben eine große Kompetenz, hoch dotierte Stellen zu besetzen, und sie wissen, was der Markt benötigt. Man könnte dieses Wissen nutzen, indem vor der Besetzung einer Professur eine gemischte Findungskommission gebildet wird, in der Wissenschaftler und Wirtschaftsvertreter sitzen.

Sind Hochschulen künftig ein Betätigungsfeld für Unternehmensberatungen?

Mei-Pochtler: Potenziell ja, weil Berater sehr viel Transformations- Know-how aus anderen Branchen und organisatorisches Fingerspitzengefühl haben. Aber in deutschen Unis konnten sie bisher nur pro bono aktiv werden.

Verlangt ein System der kostenpflichtigen Hochschulausbildung nicht zwangsläufig, dass auch im Primar- und Sekundarbereich zunehmend kostenpflichtige Eliteschulen entstehen?


Mei-Pochtler: Einen Automatismus sehe ich da nicht, aber es wird so sein, dass wir auch in den Schulen ein System benötigen, das unterschiedliche Wettbewerbsmodelle zulässt. Schulen müssen sich ebenso wie Hochschulen transformieren – und je schneller das gelingt, desto weniger Platz werden sie für private Schulen lassen.

Welche Rolle können Bildungsverlage in einem System spielen, in dem Bildung explizit als Ware gehandelt wird?


Mei-Pochtler: Bildung ist eine sensible Ware, die großes Einfühlungsvermögen verlangt. Das gilt für die Definition des Produkts, die Verpackung und die Vermarktung. Bildungsmedien und -verlage spielen eine sehr wichtige Rolle, weil sie diese sensible Ware portionieren und dadurch konsumierbar machen. In einer stärker differenzierten Bildungslandschaft wird die Bedeutung der Bildungsverlage wachsen – wenn sie rechtzeitig definieren, in welcher Form sie den Veränderungsprozess unterstützen können, und über das notwendige technologische Know-how verfügen. Eine große Zukunft haben internetbasierte Search-Features: Sie machen die entstehende Vielfalt transparent und tragen dazu bei, Inhalte international zu vermarkten, was auch den Hochschulen neue Ertragsquellen erschließen kann.

Quelle: http://bildungsklick.de

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